Spätmittelalterliche Gleichberechtigung
Die schönsten Krippenbilder stammen aus dem späten Mittelalter. Anders als in manch romantischen Krippendarstellungen späterer Jahrhunderte, ist Josef eben nicht der phantasielos inszenierte Komparse, der untätig ungelenk neben der Krippe stehend das Kind anstarrt, wahlwiese anbetet. Spätmittelalterliche Josephsdarstellungen zeigen den Vater Jesu in einer sehr modernen Rolle.
Ob einer zum Vater taugt zeigt sich ja auch heute noch oftmals während und erst recht nach der Geburt. Ist er bei der Geburt dabei oder hat er sich verdrückt? Kümmert er sich um Mutter, Kind und Haushalt? Wechselt er Windeln oder kann er es nicht, weil ihm schlecht wird? Und wer steht nachts auf, wenn’s Kind schreit?
Umso überraschender das Bild des Hl. Joseph im Mittelalter, der als Hausmann im Stall von Bethlehem, als es drunter und drüber ging, überraschende Qualitäten an den Tag legt.
Mal angenommen, dass mittelalterliche Künstler Joseph für den idealen Mann hielten, schließlich ist er ein Premium Heiliger aus der ersten Reihe um Jesus, dann hatte alles, was man ihm zuschrieb, Vorbildcharakter und war absolut nachahmenswert.
So gibt es Bilder aus dieser Zeit, auf denen Joseph den Hebammen bei der Krippe Wasser reicht, um das Kind zu baden. Auf einem anderen Weihnachtsbild reicht Joseph das Kind seiner Mutter, gerade so, als sei es nach einem kleinen Spaziergang auf den Armen des Vaters nun Zeit für die Brust. Alles wirkt so lebensnah und lebensecht. Ein Wiener Tafelbild zeigt Joseph am Zaun stehend sich munter mit den Hirten unterhalten. Auf einem Kärntner Fresko sieht man Joseph, wie er eine Gans und Eier anschleppt. Und hin und wieder ähnelt Joseph modernen Männern, wenn sie sich mühen, den Grill zu entzünden: Mal facht er mit dem Blasebalg, mal mit der Kraft seiner Lungen das Feuer an. Auf unserem Bild brennt es aber schon. Und Joseph kocht.
Das Bild stammt genau aus der Zeit des Spätmittelalters, so um 1450. Es ist die Weihnachtstafel des Altars in der evangelischen Stadtkirche von Bad Wildungen.