Verwandlung
Raupen leben am Boden. Ständig in Kontakt mit der Erde, mit einem tragenden Blatt oder einem Stängel, an dem sie hochkriechen können. Und irgendwann ist es Zeit für die Raupe, von diesem Leben Abschied zu nehmen. Sie verpuppt sich und erstarrt. In ihrem Inneren passiert etwas, das in der Biologie "katastrophale Metamorphose" genannt wird. Komplettverwandlung.
Fast alles, was die Raupe ausgemacht hat (ihre Form, ihre Organe, ihr Fortbewegungsapparat), wird in der Verpuppung aufgelöst und zerstört. Was bleibt, ist die Idee des Schmetterlings, die auch die behäbige Raupe schon in sich trägt. Erst in der völligen Erstarrung, durch die „katastrophale Metamorphose“ kann die Idee sich nach und nach durchsetzen. Bis die Raupe ganz verwandelt ist. Als zartes, elegantes Tier mit Flügeln verlässt sie den Puppenkokon – löst sich von ihrem Erdendasein und fliegt los.
Ob so ähnlich die Auferstehung funktioniert, wenn wir Menschen sterben? „Wir werden aber alle verwandelt werden“, heißt es in der Bibel (1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 15, Vers 51). Schon früh wurde der Schmetterling zum Symbol für die Hoffnung: Der Tod ist nicht das Ende. Er ist ein Einschnitt. Ein Abschied. Katastrophal. Aber nicht das Letzte, das mit uns passiert. Es geht weiter. Ganz anders. Mit Abschied und Schmerz. Verwandelt. Aber weiter. Das ist Ostern.
Pfarrerin Caroline Schnabel